Bürgeraktion Pro Kultur e.V. Emmerich am Rhein
Vorstellung des Buches "Nur das nackte Leben", vorne Gisela und Norbert Kohnen, Herbert Kleipaß und hinten Irene Möllenbeck und Konrad Flintrop.
Dicke Ordner beinhalten das Archiv
v. l. Bürgermeister Peter Hinze, Irene Möllenbeck (Pro Kultur), Elisabeth Schüürman, Walter Schieck (Pro Kultur), Peter Schütte, Rita Schütte
Pressestimmen zum Schüürman-Archiv
"Nur das nackte Leben"
Neues Buch des Geschichtsvereins vorgestellt, 11. April 2024
Emmerich. „„Das Thema ist aktuell in Nachrichten. Viele kämpfen auch heute um das nackte Überleben“, sagte Herbert Kleipaß, Vorsitzender des Emmericher Geschichtsvereins, anlässlich der Vorstellung des Buches „„Nur das nackte Leben“ von Gisela und Norbert Kohnen. Die Beiden haben die in fünf Leitzordnern abgeheftete Korrespondenz Herbert Schüürmans mit ehemaligen jüdischen Mitbürgern und deren Nachfahren sortiert,
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gelesen und daraus ein rund 100-seitiges Buch verfasst. Es enthält kurze Inhaltsangaben der ca. 750 Briefe und Karten. Die Mitglieder des Geschichtsvereins, die zuvor ihr Interesse bekundet hatten, erhalten das Buch gratis, ansonsten ist es zum Selbstkostenpreis für 15 Euro im Rheinmuseum erhältlich.
Ursprünglich war nur ein einfaches Verzeichnis der Briefe für das Schüürman Archiv im PAN vorgesehen, das von der Bürgeraktion Pro Kultur im Auftrag der Stadt Emmerich verwaltet wird. „„Pro Kultur soll das Erbe von Herbert Schüürman hüten“, sagte Pro Kultur-Vorsitzende Irene Möllenbeck in dem Pressegespräch im Rheinmuseum.
„„Als wir die Briefe durchgelesen haben und die kurzen Zusammenfassungen in PC und Laptop tippten, da wurde uns erst so richtig bewusst, welchen Schatz an Lebenserfahrungen wir da vor uns hatten. Und wir fanden, dass dieser Schatz es wert sei, einem größeren Leserkreis zugänglich gemacht zu werden, und so reifte der Plan, eine kommentierte Edition daraus zu erstellen“, so Co-Autor Norbert Kohnen. Herbert Kleipaß hatte dann die Idee, eine englische Version des Buches auf die Homepage des Geschichtsvereins einzustellen. Das Ehepaar Kohnen übersetzte das Buch und legte es George Nathan in Atlanta/USA zur Korrektur vor. Gerne und akkurat widmete er sich seiner Aufgabe. Eine Herausforderung stellten die unterschiedlichen Handschriften dar, in die sich die Autoren hineinlesen mussten: „„Manchmal war die Schrift so klein, dass wir ein Vergrößerungsgerät zu Hilfe nehmen mussten“, so Gisela Kohnen.
Der Titel des Buches ist einem Zitat von Thea Nathan, einer Überlebenden des Holocaust, entnommen, geschrieben in Elmhurst/USA am 28. Juni 1948 an ihre ehemaligen Nachbarn in Emmerich: „„Man hat uns alles genommen, nur das nackte Leben haben wir gerettet.“ Die Briefe spiegeln dramatisch verlaufene Lebensläufe, Sorgen, Existenzängste, große und kleine Tragödien. Aufgerollt wird das jüdische Leben in Emmerich, das in den 30er Jahren von zunehmender Diskriminierung, Schikanen, Ausbeutung, Ausgrenzung und zuletzt Flucht auf z.T abenteuerlichen Wegen gekennzeichnet war. Die Briefe erzählen vom unmenschlichen Alltag im Getto Riga, aber auch von der Rettung durch die Weißen Busse und einem oft beschwerlichen Neuanfang im Exil. Einige blickten im Zorn auf Emmerich zurück und wollten mit ihrer Heimatstadt nichts mehr zu tun haben. Nicht so Felix und Regina Nathan aus Anniston/Alabama. Sie bedankten sich 1961 beim damaligen Bürgermeister Pieper für die Glückwünsche zur Goldhochzeit und schrieben: „„Wir sind stets noch mehr als 100 % mit unserem lieben Emmerich verbunden.“
Die Briefe sind eine Lektüre, die unter die Haut geht und wohl niemanden gleichgültig sein lässt gegenüber dem Schicksal der Emmericher Juden. Einige haben auf den letzten Drücker das Land, ihr Land, verlassen, weil sie einfach nicht glauben konnten und wollten, welch' mörderische Gefahren ihnen drohten.
Auf dem Bild von links Gisela und Norbert Kohnen, Herbert Kleipaß und hinten Irene Möllenbeck und Konrad Flintrop (Layout).
Schüürman-Archiv in Emmerich ist der Öffentlichkeit zugänglich
Michael Bühs, Niederrhein-Nachrichten, 21. April 2023
Das Schüürman-Archiv im PAN Kunstforum wendet sich an Personen, die sich für jüdisches Leben in Emmerich und in vielen anderen Orten in Deutschland und den Niederlanden interessieren.
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Außerdem beherbergt es Dokumente und Fotos zur Geschichte der Stadt Emmerich. Herbert Schüürman (1927–2016) hatte es sich seit Anfang der 80er Jahre zur Lebensaufgabe gemacht, die Geschichte ehemaliger jüdischer Mitbürger zu erforschen. Seine umfangreichen Unterlagen wurden im Jahre 2019 von seiner Witwe Elisabeth an die Stadt Emmerich übergeben, für die dann eine kleine Arbeitsgruppe der Bürgeraktion Pro Kultur die Sichtung und Archivierung der 70 Umzugskartons übernahm. Madgalena Janßen-Koeller, Leni Wochnik sowie Gisela und Norbert Kohnen trafen sich fortan regelmäßig im Archiv; häufig wurde auch im home office gearbeitet.
„„Jetzt haben wir unser Ziel, einen benutzerfreundlichen digitalen Schlagwortkatalog zu erstellen, erreicht“, konstatierte Norbert Kohnen im April 2023. Dieser gliedert sich in die drei Bereiche Orte, Allgemeines und Unterlagen zu jüdischen Familien. Forschen können Interessierte anhand eines gespendeten gebrauchten Laptops, den Johannes van Ackeren vom Geschichtsverein wieder ans Laufen bekommen hatte.
Tim Terhorst, bei der Stadt Emmerich auch für das Archivwesen zuständig, sieht„einen großen Wert für das historische Erbe der Stadt Emmerich.“ Diese Arbeiten hätten vom städtischen Archiv nicht geleistet werden können: „Wir sind unglaublich dankbar, dass diese Arbeiten von der Gruppe bernommen wurden, um dieses einzigartige Archiv nutzbar zu machen.“
Wer das Schüürman-Archiv besuchen möchte, kann über das Stadtarchiv, einen Termin vereinbaren.
„„Mit großer Wissbegierde begab er sich auf die verstreuten Spuren der Emmericher Juden. Er suchte und fand Überlebende und Nachkommen […] in der ganzen Welt und nahm Kontakt zu ihnen auf.“ So ist es auf einer Stele zum Gedenken an Herbert Schüürman zu lesen, die in den Räumen von Pro Kultur im PAN in Emmerich steht. „„Seine Lebensaufgabe war die Erforschung der jüdischen Familien in Emmerich und ihrer Stammbäume“, so Irene Möllenbeck, Vorsitzende der Bürgeraktion, über den 2016 verstorbenen Heimatforscher, der eine umfangreiche Materialsammlung hinterließ. Dieses Schüürman-Archiv hat ein vierköpfiges Team von Pro Kultur sortiert, katalogisiert und 2023 der Öffentlichkeit zugänglich gemacht.
Im Jahr 2019 wurde vertraglich vereinbart, dass das Archiv an die Stadt Emmerich übergeht. Diese wiederum legte die Betreuung – und Sortierung – des Archivs in die Hände von Pro Kultur. Haus Freudenberg baute einen Archivschrank, finanziert von der Stadt und der Rudolf-W.-Stahr-Stiftung, der in den Räumen von Pro Kultur im PAN steht, direkt neben dem im Jahr 2019 veröffentlichten jüdischen Kulturraum.
Ab März 2021 bearbeiteten Leni Wochnik, Magdalena Janßen-Koeller, die ehemalige Leitern der Stadtbücherei, sowie Gisela und Norbert Kohnen zwei Jahre lang die 70 Kartons voller Bücher und Ordner. „„Wir haben die Sachen in drei Bereiche gegliedert“, erzählt Norbert Kohnen: Orte des Judentums, Allgemein-Bibliothek – darunter Romane, Literatur, Fotoalben, Stadtgeschichte – und die eigentlichen Archivunterlagen, die Schüürman im Laufe seiner jahrelangen Forschungen zusammengetragen hat, darunter Stammbäume der jüdischen Familien in Emmerich. Dazu heißt es auch auf der Stele: „„Die von ihm erstellten Familienstammbäume zeugen von akribischer Genauigkeit und erfassen auch kleinste Details.“
Das gesamte Archiv wurde inhaltlich und anschließend auch systematisch erfasst. „„Insgesamt sind es 785 Teile“, bestätigt Magdalena Janßen-Koeller den Umfang, zum Beispiel Bücher, Fotoalben und Ordner mit Briefen und Dokumenten. Das älteste Buch im Archiv stammt aus dem Jahr 1808. Es entstanden nicht nur ein digitales und Print-Verzeichnis, sondern auch „„ein benutzerfreundlicher, digitaler Schlagwort-Katalog“, sagt Norbert Kohnen. Dieser ist Nutzern, etwa Familienforschern, über einen Laptop für Recherchen zugänglich.
Zu den Besonderheiten des Schüürman-Archivs zählen die Briefe, die der Heimatforscher an Juden aus Emmerich und deren Nachfahren in der ganzen Welt geschrieben hat. „Sie sind nicht nur schön zum Schmökern“, sagt Kohnen, „sie berühren auch, denn es geht darin auch um Themen wie Deportation und Auswanderung.“
Schüürman machte seine Forschungsergebnisse in Vorträgen, Ausstellungen, Publikationen und Führungen zugänglich. Für sein Engagement wurde er mit dem Bundesverdienstorden, dem „Fährmann“ des Bürgervereins und dem „Obermayer German Jewish History Award“ ausgezeichnet.
„„Das Archiv ist aus Sicht der Stadt von großem Wert für das historische Erbe von Emmerich“, sagt Tim Terhorst, Sprecher der Stadt Emmerich: „Den Aufwand der Archivierung hätte des Stadtarchiv nicht leisten können, daher sind wir sehr dankbar für das Engagement des Teams von Pro Kultur.“ Tatsächlich werde die Familienforschung beim Emmericher Stadtarchiv stark nachgefragt: „Wir haben drei bis vier Anfragen pro Woche, auch von niederländischer Seite.“ Je nach Umfang können Gebühren anfallen; beim Schüürman-Archiv soll dies ebenfalls so gehandhabt werden.
Schüürman-Archiv liegt nun in Händen des Vereins Pro Kultur
Die umfangreiche Sammlung des 2016 verstorbenen Heimatforschers zum jüdischen Leben in Emmerich wird in einem eigens dafür errichteten Archivraum ausgestellt.RP, 09.02.2019
Emmerich. Dass das jüdische Leben in Emmerich ein besonderes war, belegen zahlreiche Fakten. So gilt die einstige jüdische Schule als älteste im Regierungsbezirk Düsseldorf.
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Und die Emmericher Synagoge ist vermutlich die älteste im Kreis Kleve. Bereits im 14. Jahrhundert gab es jüdische Familien in Emmerich.
Der Heimatforscher Herbert Schüürman sammelte eine Fülle an familienkundlichen Dokumenten, Stammbäumen und Bildmaterial über die jüdische Geschichte in Emmerich. Ergänzt wird seine Sammlung durch zahlreiche Bücher und Veröffentlichungen zum Thema Judentum und jüdische Bevölkerung in den Ortsteilen, Gemeinden und Städten. Außerdem befasste er sich mit der Emmericher Geschichte im Allgemeinen, wobei der Schwerpunkt der Sammlung auf einer Fotodokumentation, sortiert nach Straßen, liegt. Sie umfasst 70 Umzugskartons, trotzdem kannte Schüürman den Inhalt jedes einzelnen Aktenordners.
2016 verstarb Schüürman und schenkte sein umfangreiches Archiv der Stadt Emmerich. „Es ist wichtig, sich mit der jüdischen Vergangenheit auseinanderzusetzen, das Archiv sorgt dafür, dass die Geschichte lebendig bleibt“, sagt Bürgermeister Peter Hinze. „Für uns bedeutet die Schenkung auch die Verpflichtung, interessierte Bürger, Schulen und auch Angehörige jüdischer Familien das Archiv zur Verfügung zu stellen.“ Er freute sich, dass der Verein Pro Kultur mit der Errichtung eines jüdischen Kulturraums im PAN diese Aufgabe übernimmt.
Am Freitag übergab die Stadt Irene Möllenbeck und Walter Schieck vom Verein Pro Kultur die Unterlagen aus dem Schüürman-Archiv zur Nutzung für den jüdischen Kulturraum, den die Mitglieder der Bürgeraktion im PAN errichten wollen. Gefördert wird das Projekt vom LVR. Schüürman war bei den ersten Planungen ab dem Jahr 2010 dabei.
„Mein Mann hat sich gewünscht, dass die Stadt das Archiv bekommt und dass alles zusammenbleibt“, sagte die Ehefrau Elisabeth Schüürman bei der Unterzeichnung der Schenkungsurkunde. Der jüdische Kulturraum bringt das jüdische Leben auch anhand der Familien Gompertz und Nathan näher. Zudem gibt es eine Multimedia-Station.
Eröffnet wird der Kulturraum am 7. Juni, dann sind auch Angehörige der Familien Nathan aus den USA zu Gast.